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#21 Die Silberstadt Potosí

Von der Salzstadt Uyuni fahren wir in die Silberstadt Potosí (S19.58513 W65.75829). Die Landstraße nach Potosí entpuppt sich als abenteuerliche Piste. Doch wieder fährt uns Busli mit seinem Vierradantrieb sicher durch so manche Flußfuhrten, die durch die Regenzeit angeschwollen sind und viel roten Schlamm mitführen.

Potosí, eine Stadt von 200.000 Einwohnern, liegt auf 4000m Höhe und wurde nur aus einem Grund errichtet: dem Abbau der reichen Silbervorkommen im benachbarten Berg Cerro Rico. Seit 1545 ließen die Spanier durch brutale Ausbeutung der Einheimischen Minen in den Berg treiben. Ein unermeßlicher Reichtum floß über die Jahrhunderte nach Spanien. Noch heute liegt vor der Küste Portugals eines von vielen Transportschiffen mit geschätzten 500 Millionen Euro an Silber auf Grund. Heute wird in den Stollen von den überwiegend in Kooperativen organisierten Mineros Zinn abgebaut.

Im Rahmen einer geführten Tour besuchen wir eine Mine. Die Führung dauert einen halben Tag und startet morgens mit dem Einkleiden: Jacke, Hose, Gummistiefel (sogar Größe 46!) und Helm mit Grubenlampe. So ausgerüstet geht es weiter zum Mercado del Mineros. Hier kaufen die Bergleute ihre Utensilien ein, bevor sie in den Berg einfahren: Softdrinks, Cocablätter, Dynamit und Alkohol(96%). Auch wir erstehen von allem etwas, denn es ist so Brauch, dass Besucher den Minenarbeitern ein kleines Geschenk mit bringen. Bevor es in die Mine geht, besuchen wir eine Aufbereitungsanlage, wo das Erz gemahlen, aufgeschlämmt und chemisch getrennt wird. Es rattert, gurgelt und stinkt! Wir verschenken die ersten Cocablätter an die Arbeiter, die sie geschwind mit einem Lächeln in die Wange stopfen.

Wir werden mit dem Bus hoch über die Stadt zum Cerro Rico gefahren. Der Berg ist wie ein Schweizer Käse durchlöchert mit Stollen der vielen Kooperativen. Wir besuchen die Mine der Kooperativa La Candelaria, auf 4100m Höhe, die schon fast 500 Jahre existiert. Je weiter wir in die Mine einfahren, desto stickiger und heißer wird die Luft, angereichert mit beißendem Mineralstaub. Wir schaffen es gerade noch bis zum Schutzheiligen Tío, der in einer Nische thront und den Bergarbeitern Glück und Gesundheit verspricht. Reynaldo, unser Führer, erzählt uns einige Legenden und Bräuche der Bergleute. Wir kehren hier um, da uns in dieser (kaum noch vorhandenen) Atmosphäre die Luft wegbleibt, während die Anderen noch zwei Stockwerke tiefer einfahren, um die Mineros bei der Arbeit zu sehen. Am Ende der Führung jagt Reynaldo draußen eine Portion Dynamit in die Luft.

Trotz der dicken Luft und besseren Wissens trägt kaum ein Minero Atemschutz. Nach 35 Jahren Arbeit im Stollen ist die Staublunge unausweichlich, kaum einer wird älter als Fünfzig. Trotzdem haben die Minen einen riesigen Zulauf, da hier niemand nach Herkunft, Ausbildung oder Alter fragt. Völlig unverständlich für uns ist, dass auch Kinderarbeit hier noch ganz normal ist. Wir sehen einen zehnjährigen Jungen und einen Siebzehnjährigen, der mit zwölf hier angefangen hat. Ziemlich nachdenklich verbringen wir den Rest des Tages, da wir gesehen haben, dass sich die Arbeitsbedingungen hier in den Minen seit Jahrhunderten nicht geändert haben.

Am nächsten Tag sind alle Bergleute draußen auf den Beinen. Es ist Karneval der Mineros! Begleitet von Dynamitexplosionen und Blaskapellen tanzen die bunt geschmückten Gruppen den Cerro Rico herunter. Die ganze Stadt feiert und ist im Ausnahmezustand.

Sehr sehenswert ist auch das Museum Casa de la Moneda, die alte Münze. Hier haben die Spanier über Jahrhunderte das Silber zu Münzen geprägt. Die Prägewerke wurden von riesigen Holzzahnradkonstruktionen gesteuert und von Mulis ein Stockwerk tiefer angetrieben.

Als wir uns von dem vielen Trubel erholen wollen, lockt uns ein Schild "Café el Mirador" auf das Dach einer ehemaligen Kirche. Unten am Empfang bestellen wir einen Café. Wir werden schon mal hochgeschickt und quetschen uns durch den Turm aufs Dach. Dort oben hat man eine klasse Aussicht auf die Stadt und den Cerro Rico. Plötzlich stockt uns der Atem. Zwei Kellnerinnen balancieren unseren Café über eine luftige Aussentreppe auf die Dachterasse in mindestens 30m Höhe.

Liegt es an der Kunst des Servierens, dass uns der Café hier so gut schmeckt?