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#19 Durch die Wüste zum Salar de Uyuni

Vor uns liegen mindestens sieben Tage in der Natur pur.

Unser Bus ist bis unter die Decke vollgepackt mit Proviant: insbesondere 75 Liter Wasser und Getränke, 30 Liter Benzin in Kanistern, dutzende Brötchen und viel Obst und Gemüse. Nachdem wir uns an der chilenischen Grenzstation abgemeldet haben, arbeitet sich Busli auf kurzer Strecke 2000m höher bis aufs Altiplano. Auf dem Pass reisen wir über die kleine einsame Grenzstation Hito Cajones in den letzten Stunden des Jahres 2009 nach Bolivien ein.

An der Laguna Verde finden wir einen einsamen Rastplatz (S22.77925 W67.78421) mit Blick auf den hübschen Vulkan Licancabur. In sternenklarer frostiger Nacht, weitab von jedem Trubel, stoßen wir auf das neue Jahr an. Mit dem ersten Licht des Neujahrsmorgens ist Heike auf den Beinen und kann gerade noch den untergehenden Vollmond fotografieren. Was für ein Spektakel! In ihrer Begeisterung spürt sie nicht ihre tiefgefrorenen Füße in den Sandalen. Es sind knackige -10° Celsius.

Wir fahren weiter in Richtung Laguna Colorada, doch bereits nach wenigen Kilometern werden wir von den schönen Salvador Dali Felsen eingefangen. Hier in der Wüste schaltet jemand immer zu Mittag den Blasebalg ein. Ein starker, böiger und eisiger Wind kommt auf und wir suchen Schutz hinter einem gewaltigen Salvador Dali Felsen (S22.62360 W67.67514). Am nächsten Morgen ist es windstill und das Licht wunderschön zum fotografieren.

Zwischen den Salvador Dali Felsen und der Laguna Colorada liegt die Zollstation (S22.44083 W67.80568) auf 5000m Höhe auf dem Gelände einer Chemiefabrik, mitten im Niemandsland. Wir müssen uns dort melden, um den Busli in Bolivien zu registrieren. Wir füllen die Formulare aus, und trotz der Abgeschiedenheit entdeckt der Zöllner bei einem Blick in seinen Rechner sofort, dass Busli schon mal mit seinen Vorbesitzern in Bolivien war.

"Gehört der Busli wirklich Ihnen?" Diese Frage hatten wir noch an keiner Grenze gehört. Wir zeigen den Kaufvertrag vor und schon werden dem Busli 90 Tage Aufenthalt genehmigt. Als wir das Werksgelände verlassen, erblicken wir ein Fussballfeld. Wer möchte gegen die Werksmannschaft auf 5000m Höhe antreten?

Weiter geht es zur Laguna Colorada. Auf einer erhöhten Halbinsel beziehen wir unser Lager (S22.21261 W67.79915). Bei wechselndem Licht und Wind bewundern wir das Farbenspiel in der Lagune. Alle möglichen und unglaublichen Variationen der Farbe Rot, die durch die Mineralien hervorgerufen werden.

Nachts werden wir Zeugen eines Lichtspektakels am fernen östlichen Himmel. Riesige Gewitter erzeugen ein grandioses Wetterleuchten, die ersten Anzeichen der beginnenden Regenzeit. Am Morgen begrüßen uns die Flamingos mit ihrem lustigen Geschnatter.

Das Geschnatter noch in den Ohren machen wir uns auf den Weg zum Arbol de Piedra. Dieser Felsen (Piedra) wurde durch die Verwitterung zu einem abstrakten Baum (Arbol) geformt. Der Weg von der Laguna Colorada zum Arbol ist nicht weit, nur die Piste wird immer ruppiger und staubiger. Der Staub ist so fein und hartnäckig, dass er wie elektrostatisch angezogen an der Sonnenbrille klebt und Jan alle halbe Stunde seine Gläser putzen muss.  

Mit Argusaugen fixieren wir die abenteuerliche Sandpiste, über die wir mit scheinbar rasender Geschwindigkeit von nicht einmal 20km/h schlingern und holpern, um den herausragenden Steinen auszuweichen und nicht auf den respektfordernden Hügeln in der Mitte der Piste aufzusetzen. (Um es vorwegzunehmen, wir haben die 500 km Piste bis Uyuni ohne Zwischenfall überstanden!) An manchen Stellen fächert sich der Weg in 20 oder mehr Fahrspuren auf, die sich auf einer Breite von bis zu 2km erstrecken und einem die Wahl des "korrekten" Weges schwer machen. Ganz zu schweigen vom Umweltschutz, der hier sicherlich zu kurz kommt...

Nach der aufreibenden Fahrt finden wir ein ruhiges Plätzchen (S22.05146 W67.88149) in der stillen Natur beim Steinbaum und seinen Kollegen.

Im ersten Morgenlicht krabbeln wir bereits um den Arbol herum, um eine schöne Perspektive zum Fotografieren zu finden. Wir genießen den Luxus, über unsere eigene Zeit frei verfügen zu können, denn normalerweise kommt man hier nur mit geführten Jeeptouren hin, welche auf ihrer Rundreise am Arbol nur für wenige Minuten halten.

Auf unserer Weiterfahrt zum Salar de Uyuni reiht sich eine schöne Lagune an die andere wie an einer Perlenkette, von beeindruckenden Vulkanen umgeben. Nicht von ungefähr wird diese Strecke Ruta de las Joyas (Strasse der Juwelen) genannt.

Unser Plan ist, über den Salar (Salzsee) nach Uyuni zu fahren, wenn es die Regenzeit zulässt. Doch woher aktuelle Informationen über die Pistenzustände einholen?

Wie es das Reiseglück will, treffen wir kurz vor der entscheidenden Weggabelung (S21.40067 W67.98616) auf einen völlig verschlammten Sachsen und seinen Vadder in ihren hochbeinigen Hightech-Geländefahrzeugen. Mit einem breiten Lächeln schaut er auf unseren Busli und schüttelt mitleidig den Kopf über unser Vorhaben, hier auf den Salar fahren zu wollen. Die Regenzeit zwingt uns also, die befestigte Piste nach Uyuni zu nehmen. Auch diese Strecke erweist sich als wunderschön, obwohl sie in keinem Reiseführer erwähnt ist :-)

Vormittags Sonne und Nachmittags Gewitter begleiten uns auf dem Weg nach Uyuni. Wir machen ein Päuschen am Strassenrand. Jan kocht ein Süppchen zur Stärkung, während Heike die interessanten Wolken fotografiert. Die Wolken am Horizont hinter uns erstrecken sich vom Himmel bis zum Boden und der untere Teil sieht ungewöhnlich gelb aus. Heike macht eine Folge von Aufnahmen und bemerkt plötzlich die rasente Veränderung der gelben Wolke. Eine riesige Staubwalze rast auf uns zu! Gerade als die Suppe fertig ist schlägt Heike Alarm.

"Nichts wie weg hier! Aber plötzlich!!!"

Geschwind schüttet Jan die heisse Suppe in die Thermoskannen und fieberhaft verpackt und versiegelt Heike unsere Fotoausrüstung, denn uns bedroht ein gigantischer Staubsturm!

Jan schwingt sich hinters Steuer und wir brettern davon. Leider ist die Wellblechpiste so schlecht, dass man normalerweise nur knapp 30 km/h fahren kann. Doch der Sandsturm ist schneller. Jan holt alles aus Busli heraus und wir schwimmen und schlingern mit knapp 50km/h gerade so vor dem Sturm her. Die gelbe Walze scheint uns jeden Moment zu überrollen. Erst nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass wir ein Quentchen schneller sind und das Rennen gewinnen.

Glücklich und geschafft erreichen wir Uyuni (S20.46591 W66.82653), doch der gelben Walze ist kurz vor der Stadt die Puste ausgegangen.

Trotz Staub, Stürmen und haariger Piste war diese Tour etwas ganz besonderes auf unserer langen Reise, da die Natur hier im Südwesten von Bolivien einfach einmalig ist.