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#04 Ein Tag im Niemandsland

Gestärkt durch unsere Ruhetage am Strand von Zorritos (S3.67658 W80.66719) machen wir uns auf zur Grenze nach Ecuador.

Nur durch eine Grenzquerung können wir dem Bus wieder eine neue dreimonatige peruanische Aufenthaltsgenehmigung verpassen. Unser Plan ist in Huaquillas in Ecuador einzureisen, den Park "Bosque Petrificado Puyango" zu besuchen und über Macará wieder nach Peru einzureisen. So der Plan. Es kommt anders. Doch der Reihe nach.

Um in Ecuador einreisen zu können müssen wir drei zunächst aus Peru ausreisen. Die normale Erwartung ist, dass an der geografischen Grenze genau ein Gebäude steht in dem alle Formalitäten erledigt werden können. Doch weit gefehlt. Es gilt 4 Grenzposten zu finden die entlang der Panamericana sich auf 2 quirlige Dörfer verteilen. Der erste und letzte Posten sind etwa 12km voneinander getrennt.

Wir rollen in Peru aus dem Dorf Zarumilla heraus und versuchen mit Adleraugen den Grenzposten für die persönliche Ausreise aus Peru zu erkennen. Mit deutlichen Ausschilderungen ist man in Peru sparsam. Daher könnten wir schnell an dem grauen doch wichtigen Gebäude vorbeifahren.

Zum Glück fahren wir nicht vorbei und unsere Reisepässe werden zügig mit dem Ausreisestempel versehen. Nun gilt es das Zollbüro für die Ausreise des Busses zu finden. Ein Herr bietet seine Dienstleistung an uns bei den hochkomplexen Formalitäten zu helfen. Wir lehnen ab und machen uns auf den Weg zum Grenzdorf Huaquillas (S3.47908 W80.23620). Hier fließt der Rio Zarumilla durch, die geografische Grenze. Vorsichtig nähern wir uns um ja kein offizielles Gebäude zu übersehen. Doch in Huaquillas wird die Panamericana zum Marktplatz umfunktioniert. Überall sind Menschen, Handkarren, kleine Taxen, dicke LKWs unterwegs. Ein unglaubliches Gedrängel und irgendwie bahnen wir uns mit dem Bus einen Weg durch.

Dabei übersehen wir an einer kleinen Brücke das peruanische Zollbüro und ein Stück weiter auch das ecuadorianische Zollbüro in denen wir die Formalitäten für den Bus erledigen müssen. Plötzlich ist die Panamericana gesperrt und dient als Marktplatz. Wir müssen um einige Häuserblöcke und versuchen zu erahnen wo die Hauptstrasse ist die uns zur ecuadorianischen Immigration führt. Erst am Dorfende finden wir diese und erhalten ohne Umstände den Einreisestempel in unsere Reisepässe. Doch auf unsere Frage wo denn nun das Zollbüro sei werden wir auf die kleine Brücke verwiesen. Also zurück. Durch das Gewusel.

Dort auf der Brücke finden wir das Büro und ich übergebe das derzeitige Bus-Dokument. Der Zollbeamte hält mich für den Vorbesitzer. Soll er ruhig, nur keine Verwirrung stiften. Freundlich doch akribisch werden die Daten vom Vorbesitzer in ein dickes Ausreisebuch übertragen. Nun der letzte Akt. Bus-Einreise im schräg gegenüberliegenden ecuadorianischen Zollbüro. Nun ja. Der Beamte wühlt und sucht und murmelt etwas. Gibt es Probleme? Ja, er hat nicht das richtige Dokument parat für ausländische Fahrzeuge. Überhaupt werden europäische Fahrzeuge von einem speziellen Büro bearbeitet welches nur von Montag bis Donnerstag auf hat. Wir haben Samstag. Und Montag ist Nationalfeiertag. Eventuell, mit viel Glück könne er den Kollegen am Sonntag telefonisch erreichen. Kann sein, dass es sich um einen Wink mit dem Bakschischzaunpfahl handelt doch wir gehen nicht auf das Spiel ein und entscheiden in Huaquillas zu übernachten. Hier darf der Bus sich aufhalten, er ist nun staatenlos.

Uns ist nicht ganz wohl eine Nacht in diesem quirligen Ort zu verbringen, voller netter und einiger unnetter Menschen.

Doch wir finden ein gutes Hotel mit Garage und gehen erstmal ein Bierchen trinken. Ideen sind gefragt. Eine Idee, die immer mehr Gestalt annimmt, ist einfach am Sonntag wieder in Peru einzureisen.

Der aufregende Tag findet einen fröhlichen Abschluss. In der Kneipe kommen wir ins Gespräch mit zwei feierlustigen ecuadorianischen Damen die augenzwinkernd um Vermittlung deutscher Männer bitten. Die Beiden haben einen sehr sicheren Aufbewahrungsort für ihre Handys. Diese werden einfach im üppigen hochgeschnürten Décolleté geparkt. Fazinierend!

Die Nachtruhe im Hotel wird sehr lateinamerikanisch: laut und schwül.

Gerädert machen wir uns am nächsten Morgen daran unseren neuen Plan umzusetzten: Zurück nach Peru.

Doch in welcher Reihenfolge sollen wir vorgehen? Zuerst in Ecuador als Person ausreisen, dann zum peruanischen Zollbüro wo hoffentlich nicht der Beamte von gestern sitzt und dann aufmerkt weil ich nicht der Vorbesitzer bin, von dort zur peruanischen Immigration, oder umgekehrt? Der geneigte Leser ist jetzt mindestens so verwirrt wie wir damals. Also der Reihe nach. Der Knoten wird sich auflösen.

Wir fahren zur Brücke und lugern ins peruanische Zollbüro. Hmmm, der Herr dort könnte der gleiche Beamte von gestern sein. Wir fahren weiter zur peruanischen Immigration. Dort steht auch ein Zollbüro für die Fahrzeugeinreise nach Peru. Kaum halten wir bei dem Häusschen, steht schon ein netter Herr neben meiner Tür. Sehr korpulent, im kanariengelben Poloshirt, eine Austrahlung irgendwo zwischen Zuhälter und Dealer. Er spricht mich auf spanisch an und erkennt schnell dass sein Helfer ran muss. Der textet mich auf englisch voll, erklärt das ihre "Firma" eine perfekte Dienstleistung bei allen Grenzformalitäten erbringt. Wir beraten uns und nehmen widerwillig an da wir derzeit selber keine eindeutige Lösung für unseren Knoten sehen. Damit wir den Bus in Peru anmelden können müssen wir zunächst als Person einreisen.

Doch noch sind wir in Ecuador "gemeldet". Ohne Ausreisestempel von Ecuador kriegen wir keinen Einreisestempel von Peru. Einfache Regel.

Also geht es mit unseren "Beratern" zurück durchs ganze quirllige Huaquillas zum Ein- und Ausreisebüro der Ecuadorianer.

Doch kaum rollen wir auf der kleinen Brücke entlang, springt der peruanische Ausreise-Zollbeamte aus seinem Büro und macht Terz. Unsere "Berater" halten gegen. Wir wollen wieder nach Peru? Dies geht erst nach einer Mindestaufenthaltsdauer von 3 Tagen in Ecuador. So das Gesetz. Sein Gesetz? Unsere Berater verhandeln und deuten an, dass eine Gebühr das Problem löst. Aha. Erstmal zahlen wir nichts und rollen weiter zum Ein- und Ausreisebüro der Ecuadorianer. Dort ist eine lange Schlange vor dem Ausreiseschalter und wir stellen uns artig an. Doch unser kanariengelber Berater winkt uns rüber zu einem leeren Schalter und ehe wir uns versehen haben wir die Ausreisestempel im Pass. Doch der Beamte erwartet "den Preis einer Cola" für die Schnellbehandlung, was wir nicht wussten. Für die Übergabe begeben wir beide uns in eine Ecke mit Jesukreuz die nicht von der Videoüberwachung erfasst wird. Irgendwie muss ich über diese Komödie in mich hineinlächeln.

Zurück geht es Richtung Brücke und dem gebührenerwartenden peruanische Ausreise-Zollbeamten. Diese "Gebühr" verstehen wir nicht und halten mitten im Dorf an um mit unserem englischsprachigen Berater dieses Thema zu diskutieren. Wir handeln die Gebühr auf "5 Colas" runter und unser Berater verspricht an der Brücke sein bestes zu tun...

Dies gelingt und wir fahren weiter zur peruanischen Immigration wo wir ohne weiteres unsere Einreisstempel erhalten. Nebenan ist das Zollbüro für die KFZ-Einreise und auch dort wird kompetent und freundlich die Aufenthaltsgenehmigung für den Bus ausgestellt. Keine Gebühren mehr.

Nun dürfen wir drei uns wieder für 90 Tage in Peru aufhalten. Jauchz!

Unsere "Berater" bekommen ein kleines Trinkgeld und wir steigen zügig in den Bus, denn hinter uns sind noch die Eintreiber einer Parkgebühr hinterher. Da wir genug von Gebühren haben fahren wir einfach an der winkenden Politesse vorbei. Natürlich winken wir freundlich zurück.

Um es deutlich zu sagen: Wir halten nichts davon Bakschisch zu zahlen. Die beste Methode diesem Unwesen aus dem Weg zu gehen ist freundlich zu bleiben und jede Menge Zeit und Geduld zu haben. Wir haben in diesen 48 Stunden viel gelernt und werden bei der nächsten Grenzquerung hoffentlich gelassener auf die neuen Prüfungen reagieren.

Und wir sehen die offenen Grenzen innerhalb Europas nun als eine nicht selbstverständliche kostbare Freiheit an.